Veröffentlicht am März 12, 2024

Erfolgreiches Netzwerken ist keine Jagd nach Kontakten, sondern das geduldige Kultivieren von Beziehungen durch echten, beidseitigen Wert – lange bevor eine Bitte im Raum steht.

  • Der Schlüssel liegt im „Wert-Einzahlungs-Prinzip“: Geben Sie konsequent Mehrwert, um Vertrauenskapital aufzubauen.
  • Authentizität und eine fokussierte Strategie sind wirksamer als das Sammeln von hunderten oberflächlichen Kontakten.

Empfehlung: Leisten Sie noch heute eine gezielte „Wert-Einzahlung“ bei einem Kontakt, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Teilen Sie einen relevanten Artikel, machen Sie eine durchdachte Vorstellung oder geben Sie konstruktives Feedback.

Die Vorstellung von Networking löst bei vielen ein Gefühl des Unbehagens aus. Man denkt an überfüllte Konferenzräume, gezwungenen Smalltalk und das unangenehme Gefühl, sich selbst wie ein Produkt verkaufen zu müssen. Die gängigen Ratschläge – Visitenkarten sammeln, den perfekten Elevator Pitch einstudieren, auf LinkedIn wahllos Kontakte hinzufügen – fühlen sich oft oberflächlich und transaktional an. Sie basieren auf der Idee, schnell einen Nutzen aus einer anderen Person zu ziehen, was dem Aufbau einer echten, menschlichen Verbindung fundamental widerspricht.

Dieses Vorgehen ist nicht nur unangenehm, es ist auch ineffektiv. Insbesondere in der deutschen Geschäftskultur, die auf Vertrauen, Substanz und Langfristigkeit setzt, scheitert der Ansatz des reinen „Kontakt-Sammelns“. Ein Netzwerk, das nur dann aktiviert wird, wenn man dringend einen Job, einen Gefallen oder eine Information benötigt, ist kein Netzwerk. Es ist eine Liste von Fremden, die zu Recht skeptisch reagieren, wenn nach jahrelanger Stille plötzlich eine Bitte in ihrem Posteingang landet.

Doch was, wenn der wahre Schlüssel zum erfolgreichen Netzwerken nicht darin liegt, was Sie bekommen können, sondern darin, was Sie geben? Was, wenn der Fokus von einer kurzfristigen Transaktion zu einer langfristigen Beziehungs-Architektur verschoben wird? Dieser Ansatz verwandelt eine gefürchtete Pflichtübung in einen authentischen und bereichernden Teil des Berufslebens. Es geht darum, systematisch Vertrauen und Wert zu schaffen, lange bevor Sie überhaupt daran denken, eine Gegenleistung zu erbitten.

Dieser Artikel führt Sie durch die strategischen und psychologischen Grundlagen dieses Ansatzes. Sie werden lernen, wie Sie proaktiv helfen, aufrichtig in Erinnerung bleiben und selbst als introvertierte Persönlichkeit ein starkes, tragfähiges Netzwerk aufbauen, das auf Gegenseitigkeit und echtem Interesse basiert.

Um diesen Wandel von der reinen Kontaktsammlung zur nachhaltigen Beziehungspflege zu meistern, haben wir die wichtigsten Strategien für Sie strukturiert. Der folgende Überblick zeigt Ihnen, wie Sie die Kunst des Gebens erlernen, authentische Verbindungen knüpfen und Ihr Netzwerk zu einer echten beruflichen Stütze machen.

Warum Sie erst helfen müssen, bevor Sie um einen Job bitten können

Die Idee, erst zu geben, bevor man nimmt, ist mehr als nur eine höfliche Geste. Sie ist das Fundament eines jeden stabilen Netzwerks und basiert auf dem psychologischen Reziprozitäts-Prinzip. Menschen haben ein tief verankertes Bedürfnis, sich für erhaltene Hilfe zu revanchieren. Wenn Sie proaktiv und ohne Erwartungshaltung Mehrwert bieten, tätigen Sie eine „Wert-Einzahlung“ auf ein Beziehungskonto. Diese Einzahlungen schaffen Vertrauen und Wohlwollen, die essenziell sind, wenn Sie später selbst einmal Unterstützung benötigen. Ein Netzwerk, das auf gegenseitiger Hilfe aufgebaut ist, ist resilient und authentisch.

Die Bedeutung solcher Beziehungen spiegelt sich direkt im Arbeitsmarkt wider. Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Positionen über persönliche Empfehlungen besetzt werden, lange bevor sie öffentlich ausgeschrieben werden. Tatsächlich zeigt eine aktuelle IAB-Betriebsbefragung, dass über 31 % aller Stellen im Jahr 2024 über persönliche Kontakte und Empfehlungen besetzt wurden. Dies geschieht nicht, weil Vetternwirtschaft betrieben wird, sondern weil eine Empfehlung von einer vertrauenswürdigen Person das Einstellungsrisiko für ein Unternehmen drastisch reduziert.

Doch wie kann man konkret helfen, ohne aufdringlich zu wirken? Der Schlüssel liegt in spezifischen, durchdachten Beiträgen. Vergessen Sie vage Angebote wie „Sag Bescheid, wenn ich was für dich tun kann“. Seien Sie stattdessen konkret. Bieten Sie an, zwei Personen aus Ihrem Netzwerk vorzustellen, die voneinander profitieren könnten. Teilen Sie eine Zusammenfassung einer wichtigen Fachkonferenz, an der Ihr Kontakt nicht teilnehmen konnte. Als Junior können Sie eine frische Perspektive auf ein Produkt bieten oder bei einer Trend-Recherche zu neuen Technologien unterstützen. Jede dieser gezielten Hilfestellungen ist eine wertvolle Einzahlung, die Ihre Beziehung stärkt und Sie als engagierten, vorausschauenden Kontakt etabliert.

Wie bleiben Sie in Erinnerung, ohne mit Spam-Mails zu nerven?

Nach einem ersten positiven Kontakt besteht die größte Herausforderung darin, die Beziehung am Leben zu erhalten, ohne zur Last zu werden. Leere „Ich wollte mich nur mal wieder melden“-Nachrichten sind der schnellste Weg, als irrelevant oder sogar nervig eingestuft zu werden. Nachhaltige Kontaktpflege erfordert eine Strategie, die auf Relevanz und echtem Interesse basiert. Jeder Kontaktpunkt sollte für den Empfänger einen kleinen, aber spürbaren Mehrwert bieten.

Wie der ottonova Karriere-Ratgeber betont, ist Regelmäßigkeit entscheidend:

In Kontakt zu bleiben ist der Grundstein für ein tragfähiges Netzwerk. Gute Netzwerke bedeuten vor allem regelmäßigen Austausch und gegenseitige Unterstützung.

– ottonova Karriere-Ratgeber, Digital Networking Guide

Eine systematische Herangehensweise kann dabei helfen, den Überblick zu behalten und authentisch zu bleiben. Die „3-Mal-1-Regel“ der Networking-Expertin Lauren Berger bietet hierfür einen praktischen Rahmen. Sie pflegt jeden ihrer wichtigen Kontakte gezielt dreimal pro Jahr – oft reicht dafür schon eine kurze, aber substanzielle Interaktion.

Fallbeispiel: Die „3-Mal-1-Regel“ für nachhaltige Kontaktpflege

Lauren Berger entwickelte diese einfache Regel, um auch bei einem großen Netzwerk den persönlichen Kontakt nicht zu verlieren. Sie plant für jeden wichtigen Kontakt mindestens drei Interaktionen pro Jahr (z.B. im Frühling, Sommer und Herbst). Dies können kleine Gesten sein: ein geteilter Artikel mit einem persönlichen Kommentar („Ich dachte, dieser Bericht zum Thema X könnte dich interessieren“), eine Gratulation zu einem beruflichen Erfolg auf LinkedIn oder ein kurzes Telefonat, um sich nach dem Fortschritt eines bekannten Projekts zu erkundigen. Diese systematische, aber unaufdringliche Methode stellt sicher, dass man im Gedächtnis bleibt, ohne aufdringlich zu wirken, und schafft eine Basis für kontinuierlichen Austausch.

Der Schlüssel ist, zuzuhören und sich Notizen zu machen. Hat ein Kontakt von einem bevorstehenden Projekt erzählt? Fragen Sie einige Monate später gezielt danach. Hat jemand ein Interesse an einem bestimmten Thema geäußert? Senden Sie ihm einen relevanten Podcast oder einen Hinweis auf ein Webinar. Diese „stillen Signale“ zeigen, dass Sie aufmerksam sind und mitdenken – die wertvollste Währung im Beziehungsaufbau.

Wie netzwerken Sie effektiv, wenn Sie Menschenmassen hassen?

Für introvertierte oder schüchterne Menschen ist die klassische Vorstellung von Networking – laute Events, oberflächlicher Smalltalk und das Ansprechen von Fremden – oft ein Albtraum. Doch die Abneigung gegen Menschenmassen bedeutet nicht, dass man auf ein starkes berufliches Netzwerk verzichten muss. Im Gegenteil: Introvertierte haben oft Stärken, die im lauten Getümmel untergehen, aber in ruhigeren Settings ihre volle Wirkung entfalten: die Fähigkeit zu tiefgründigen Gesprächen, aktives Zuhören und das Knüpfen von wenigen, dafür aber sehr stabilen Beziehungen.

Der Trick besteht darin, die Spielregeln zu ändern und Umgebungen zu wählen, die den eigenen Stärken entsprechen. Anstatt sich auf anonyme Großveranstaltungen zu zwingen, sollten Sie gezielt nach Formaten suchen, die Qualität vor Quantität stellen. Fokussierte Workshops, kleine, thematische Meetups oder Fachvorträge bieten einen natürlichen Gesprächseinstieg über ein gemeinsames Interesse. Hier geht es nicht darum, möglichst viele Hände zu schütteln, sondern ein oder zwei wirklich bedeutungsvolle Gespräche zu führen.

Zwei Personen in vertrautem Gespräch in ruhiger Café-Ecke beim professionellen Austausch

Eine weitere wirkungsvolle Strategie ist das sogenannte „Inbound-Networking“. Anstatt aktiv auf andere zuzugehen, positionieren Sie sich als Experte in Ihrer Nische, sodass andere auf Sie zukommen. Dies kann durch einen Fachartikel, einen fundierten Kommentar in einer Online-Diskussion oder einen Vortrag in einem kleinen Rahmen geschehen. Sie schaffen einen Anziehungspunkt, der Gleichgesinnte anzieht und das erste Gespräch erheblich erleichtert. Qualität schlägt hier immer Quantität.

Ihr Aktionsplan für introvertiertes Netzwerken

  1. Passende Formate wählen: Bevorzugen Sie thematische Stammtische, Fachvereine (tief in der deutschen Vereinskultur verwurzelt) oder spezialisierte Workshops statt anonymer Massen-Events.
  2. Realistische Ziele setzen: Nehmen Sie sich für eine Veranstaltung nicht vor, „zu netzwerken“, sondern „zwei interessante Gespräche zu führen“. Das reduziert den Druck und fokussiert auf Qualität.
  3. Inbound-Networking betreiben: Positionieren Sie sich als Experte (z. B. durch Blogartikel, LinkedIn-Posts), sodass andere einen Grund haben, auf Sie zuzukommen.
  4. 1-zu-1-Treffen vorschlagen: Wenn Sie jemanden auf einem Event interessant finden, schlagen Sie ein anschließendes, ruhiges Treffen auf einen Kaffee vor, um das Gespräch zu vertiefen.
  5. Bestehende Kontakte nutzen: Bitten Sie eine vertraute Person, Sie bei einer Veranstaltung gezielt jemandem vorzustellen. Das bricht das Eis sofort.

Warum 50 echte Kontakte mehr wert sind als 5000 LinkedIn-Follower

In einer Welt, die von Social-Media-Metriken besessen ist, entsteht leicht der Eindruck, dass eine hohe Anzahl von Followern oder Kontakten auf Plattformen wie LinkedIn gleichbedeutend mit einem starken Netzwerk ist. Dies ist ein gefährlicher Trugschluss. Echte Beziehungen, die auf Vertrauen und Gegenseitigkeit basieren, lassen sich nicht in Zahlen messen. Ein Netzwerk aus 50 Personen, die Sie wirklich kennen, Ihnen vertrauen und bereit wären, Ihnen zu helfen, ist unendlich wertvoller als 5000 oberflächliche „Kontakte“, die Ihren Namen noch nie gehört haben.

Diese Diskrepanz zwischen Aktivität und wahrgenommener Wichtigkeit ist bezeichnend. Eine repräsentative Studie zeigt, dass, obwohl 65 % der Deutschen nicht aktiv netzwerken, 70 % derjenigen, die es tun, es als wichtig für ihre Karriere einschätzen. Das Problem ist nicht das Netzwerken an sich, sondern die oft falsche, auf Quantität ausgerichtete Herangehensweise. Es geht nicht darum, wahllos Anfragen zu senden, sondern darum, strategisch Verbindungen zu Menschen aufzubauen, mit denen ein echter Austausch möglich ist.

Gerade im deutschsprachigen Raum ist die Wahl der Plattform und die dort gepflegte Kultur entscheidend. XING und LinkedIn bedienen oft unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen.

LinkedIn vs. XING: Unterschiedliche Networking-Kulturen
Aspekt LinkedIn XING
Fokus International, beziehungsorientiert DACH-Region, oft transaktionaler
Nutzerkultur Offener, informeller Austausch Formeller, geschäftsfokussiert
Ideal für Internationale Kontakte, Thought Leadership Lokale Geschäftskontakte, Mittelstand
Kommunikationsstil Content-getrieben, Storytelling Direkt, effizienzbetont

Die Erkenntnis daraus ist, Ihre Energie bewusst zu kanalisieren. Konzentrieren Sie sich darauf, eine Handvoll echter, gepflegter Beziehungen aufzubauen, anstatt Ihre Zeit mit dem Sammeln nutzloser digitaler Kontakte zu verschwenden. Qualität, Tiefe und Vertrauen sind die wahren Indikatoren für ein starkes Netzwerk.

Warum Kontakte außerhalb Ihrer Blase oft die innovativsten Jobchancen bringen

Wir neigen dazu, uns mit Menschen zu umgeben, die uns ähnlich sind – sie arbeiten in derselben Branche, haben einen ähnlichen Bildungshintergrund und teilen unsere Ansichten. Dieses Phänomen, bekannt als Homophilie, schafft zwar ein Gefühl der Zugehörigkeit, führt aber auch zu einer intellektuellen „Blase“. In dieser Blase zirkulieren immer die gleichen Informationen, Ideen und auch die gleichen Jobangebote. Die wirklich innovativen, unerwarteten Karrierechancen liegen jedoch oft außerhalb dieser Komfortzone, an den Schnittstellen verschiedener Branchen und Disziplinen.

Der Soziologe Mark Granovetter nannte dies die „Stärke schwacher Verbindungen“. Während unsere engen Kontakte (starke Verbindungen) meist über dieselben Informationen verfügen wie wir, sind es die Bekannten aus anderen Bereichen (schwache Verbindungen), die als Brücken zu völlig neuen Welten fungieren. Ein Gespräch mit einem Designer kann einem Ingenieur neue Perspektiven auf nutzerzentrierte Produktentwicklung eröffnen. Ein Austausch mit einem Logistik-Experten kann einem Softwareentwickler die Tür zu einer boomenden Branche öffnen, an die er nie gedacht hätte.

Diverse Fachkräfte aus verschiedenen Branchen beim kreativen Austausch in einem deutschen Innovationshub

In Deutschland gibt es etablierte Strukturen, die genau diesen branchenübergreifenden Austausch fördern. Konkrete Beispiele für solche Brücken-Institutionen finden sich zuhauf, wie ein Leitfaden zum beruflichen Netzwerken der Universität Frankfurt detailliert beschreibt. Institutionen wie die Fraunhofer- und Max-Planck-Institute bringen Forschung und Industrie zusammen. Innovationscluster wie „it’s OWL“ in Ostwestfalen-Lippe oder das „Medical Valley“ in der Metropolregion Nürnberg vernetzen gezielt Akteure aus verschiedenen Sektoren. Selbst lokale IHK-Veranstaltungen bieten die Chance, auf Handwerksmeister, Forscher oder Künstler zu treffen und den eigenen Horizont zu erweitern.

Suchen Sie also aktiv nach Möglichkeiten, Ihre Blase zu verlassen. Besuchen Sie eine Konferenz einer benachbarten Branche. Treten Sie einem Verein bei, der nichts mit Ihrem Beruf zu tun hat. Zeigen Sie authentische Neugier für die Arbeit und die Herausforderungen von Menschen aus anderen Feldern. Genau dort, an den Rändern Ihres bekannten Universums, verbirgt sich oft das größte Potenzial für Wachstum und unerwartete Chancen.

Wie stellen Sie sich auf Konferenzen vor, damit man Sie nicht vergisst?

Konferenzen sind ein klassisches Networking-Feld, aber auch ein Ort, an dem die meisten Vorstellungen nach wenigen Minuten wieder vergessen sind. Der Standardansatz „Hallo, ich bin X und arbeite als Y bei Firma Z“ ist informativ, aber austauschbar und oft der Beginn eines monotonen Monologs. Um wirklich in Erinnerung zu bleiben, müssen Sie diesen transaktionalen Modus durchbrechen und eine echte Konversation initiieren.

Der Schlüssel liegt darin, den Fokus vom „Senden“ (sich selbst vorstellen) auf das „Empfangen“ (Interesse am Gegenüber zeigen) zu verlagern. Anstatt mit einem einstudierten Elevator Pitch zu beginnen, starten Sie mit einer kontextbezogenen Frage. Dies signalisiert Respekt und echtes Interesse, was besonders im deutschen Geschäftsumfeld positiv wahrgenommen wird. Experten raten dazu, den Pitch durch einen „Gesprächsaufhänger“ zu ersetzen:

Ersetzen Sie den ‚Elevator Pitch‘ durch den ‚Gesprächsaufhänger‘. Statt ‚Ich bin X und mache Y‘, beginnen Sie mit einer Frage zum gemeinsamen Kontext, die im deutschen Umfeld als respektvoller und weniger aufdringlich empfunden wird: ‚Was war für Sie der spannendste Gedanke in diesem Vortrag?‘

– Networking-Expertenrat, Deutsche Konferenz-Etikette

Hören Sie aktiv zu und stellen Sie vertiefende Fragen. Erst wenn sich ein natürlicher Dialog entwickelt hat, bringen Sie Ihre eigene Expertise oder Ihren Hintergrund ein – idealerweise als Antwort oder Ergänzung zu dem, was Ihr Gesprächspartner gesagt hat. Ein weiterer entscheidender Punkt ist der Nachgang. Eine Visitenkarte allein ist wertlos. Senden Sie noch am selben Abend oder am nächsten Morgen eine personalisierte Kontaktanfrage auf LinkedIn oder XING. Beziehen Sie sich konkret auf Ihr Gespräch („Es war spannend, Ihre Gedanken zu Thema A zu hören“) und fügen Sie, wenn möglich, einen kleinen Mehrwert hinzu – etwa einen Link zu einem Artikel, der Ihr Gesprächsthema vertieft. Diese zeitnahe und relevante Nachfassaktion beweist Effizienz und hinterlässt einen bleibenden, professionellen Eindruck.

Wie schreiben Sie einen ehemaligen Kommilitonen an, ohne wie ein Bittsteller zu wirken?

Die Reaktivierung alter Kontakte, etwa aus dem Studium, ist eine der effektivsten Networking-Strategien, birgt aber auch eine soziale Hürde: Man möchte nicht den Eindruck erwecken, sich nur aus Eigennutz zu melden. Der Schlüssel, um nicht als Bittsteller dazustehen, liegt in der ehrlichen Anerkennung der vergangenen Zeit und einem Einstieg, der auf einer gemeinsamen, positiven Erinnerung basiert, anstatt direkt mit der Tür ins Haus zu fallen.

Beginnen Sie Ihre Nachricht niemals mit einer Bitte. Wärmen Sie die Beziehung zuerst auf. Ein idealer Einstieg knüpft an eine spezifische, positive Gemeinsamkeit an. Erwähnen Sie ein gemeinsames Projekt, einen besonders inspirierenden Professor oder eine lustige Anekdote aus der Studienzeit. Zeigen Sie danach, dass Sie sich über die aktuelle Situation der Person informiert haben. Eine kurze, anerkennende Bemerkung zu ihrem neuen Job oder einem spannenden Projekt auf ihrem LinkedIn-Profil signalisiert aufrichtiges Interesse und Wertschätzung.

Ein konkretes Beispiel verdeutlicht diesen Ansatz:

Ich habe meinen ehemaligen Kommilitonen nach 5 Jahren kontaktiert, indem ich mit einer positiven Referenz zu unserem gemeinsamen Projekt bei Professor Müller begann. Statt direkt nach einem Job zu fragen, bat ich um seine Einschätzung zur aktuellen Marktlage. Das öffnete die Tür zu einem wertvollen Austausch, der später tatsächlich zu einer Jobempfehlung führte.

– Ein Marketing-Manager

Erst nachdem Sie diese Brücke gebaut haben, können Sie Ihr eigentliches Anliegen formulieren – und zwar als indirekte Bitte um eine Einschätzung oder Perspektive, nicht als direkte Forderung nach einem Job. Formulierungen wie „Ich würde mich über deine Perspektive zu [Thema] freuen“ oder „Da du in der Branche bestens vernetzt bist, wollte ich mal deine Meinung zu X hören“ sind deutlich weniger aufdringlich. Sie positionieren die andere Person als Experten und laden zu einem Gespräch auf Augenhöhe ein, anstatt sie in die Rolle eines reinen Gefälligkeitserbringers zu drängen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Geben vor dem Nehmen: Bauen Sie Vertrauenskapital auf, indem Sie proaktiv und ohne Erwartung Mehrwert bieten (das „Wert-Einzahlungs-Prinzip“).
  • Qualität vor Quantität: Konzentrieren Sie sich auf den Aufbau weniger, aber tiefer und gepflegter Beziehungen statt auf das Sammeln von hunderten oberflächlichen Kontakten.
  • Authentizität ist der Schlüssel: Wählen Sie Networking-Methoden und -Umfelder, die zu Ihrer Persönlichkeit passen, insbesondere wenn Sie introvertiert sind.

Duzen oder Siezen: Wie schreiben Sie Recruiter im Netz richtig an?

Die Wahl zwischen dem formellen „Sie“ und dem informellen „Du“ ist eine der größten Unsicherheiten bei der Kontaktaufnahme im deutschen Berufsleben, insbesondere bei Recruitern auf Plattformen wie LinkedIn oder XING. Die falsche Anrede kann schnell als respektlos oder unprofessionell wahrgenommen werden. Eine allgemeingültige Regel gibt es nicht, aber es existieren klare Indikatoren, die Ihnen helfen, die richtige Entscheidung zu treffen.

Die wichtigste Faustregel lautet: Im Zweifel immer mit „Sie“ beginnen. Dies ist die sichere, respektvolle Standardoption. Es ist weitaus einfacher, von einem „Sie“ zu einem „Du“ zu wechseln, als einen Fauxpas durch ein vorschnelles „Du“ zu korrigieren. In der deutschen Business-Etikette bietet traditionell die hierarchisch oder situativ überlegene Person – in diesem Fall der Recruiter – das „Du“ an. Wenn dies geschieht, ist eine souveräne und positive Annahme entscheidend. Eine Formulierung wie „Gerne, ich bin der [Vorname]“ ist hierfür ideal.

Um die Situation besser einzuschätzen, können Sie eine kleine Analyse durchführen. Die Unternehmenskultur, die Branche und sogar die Region geben oft Hinweise auf die vorherrschende Anredeform. Die folgende Checkliste, inspiriert von Experten für den deutschen Markt, kann als Orientierung dienen, wie es etwa eine Checkliste von Michael Page zeigt:

Duzen-oder-Siezen-Checkliste für deutsche Recruiter
Indikator Tendenz zum ‚Du‘ Tendenz zum ‚Sie‘
Unternehmenstyp Start-up, Tech-Unternehmen Konzern, Behörde, Mittelstand
Branche IT, Medien, Kreativwirtschaft Banken, Jura, Versicherungen
Region Berlin, Hamburg, Köln Frankfurt, München, Stuttgart
Stellenanzeige Verwendet ‚Du‘ im Text Verwendet ‚Sie‘ im Text
LinkedIn-Profil Lockerer Ton, Emoji-Nutzung Formeller Ton, Titel genannt

Letztendlich signalisiert die bewusste und respektvolle Wahl der Anrede Ihre soziale Kompetenz und Ihr Verständnis für die Nuancen der deutschen Geschäftskultur – eine subtile, aber mächtige „Wert-Einzahlung“ gleich zu Beginn einer potenziellen beruflichen Beziehung.

Um Ihre beruflichen Beziehungen auf eine solide Basis zu stellen, ist es essenziell, die ungeschriebenen Gesetze der Kommunikation zu beherrschen und so von Anfang an Professionalität zu beweisen.

Geschrieben von Michael Schmidt, Interkultureller Management-Trainer mit Fokus auf Asien und USA. 18 Jahre Auslandserfahrung als Expat-Manager für deutsche Industrieunternehmen.