Veröffentlicht am April 18, 2024

Entgegen der landläufigen Meinung sichert exzellente Fachleistung im deutschen Mittelstand keinen Aufstieg – strategisch aufgebautes Vertrauen und Sichtbarkeit tun es.

  • Der Aufstieg hängt weniger von Ihrer Arbeitslast ab als von Ihrer Fähigkeit, die Probleme des Inhabers zu Ihren eigenen zu machen und Lösungen zu liefern.
  • Statt auf eine Beförderung zu warten, müssen Sie aktiv eine Nischenexpertise entwickeln und diese gezielt bei den Schlüsselentscheidern positionieren.

Empfehlung: Kartografieren Sie die informellen Machtstrukturen in Ihrem Unternehmen und investieren Sie gezielt in den Aufbau von Vertrauenskapital bei den wahren Einflussnehmern.

Sie sind ehrgeizig, hochqualifiziert und liefern konstant überdurchschnittliche Ergebnisse in Ihrem Job bei einem mittelständischen Unternehmen. Trotzdem bleibt die erhoffte Beförderung aus, während Sie das Gefühl haben, in starren Strukturen festzustecken. Vielleicht haben Sie bereits versucht, durch noch mehr Engagement und die Übernahme zusätzlicher Aufgaben auf sich aufmerksam zu machen – eine häufige Reaktion, die oft in die Frustration der Stagnation führt. Im deutschen Mittelstand, dem Rückgrat der Wirtschaft, gelten andere Gesetze als in Großkonzernen mit ihren standardisierten Talentprogrammen.

Die üblichen Ratschläge wie „sich weiterbilden“ oder „einen Mentor suchen“ greifen hier oft zu kurz. Sie übersehen die spezifische DNA inhabergeführter Unternehmen, in denen persönliche Beziehungen, langjähriges Vertrauen und die ungeschriebene Unternehmenskultur oft mehr wiegen als messbare KPIs. Doch was, wenn der Schlüssel zum Aufstieg nicht darin liegt, der fleißigste Mitarbeiter zu sein, sondern der strategisch klügste? Wenn es nicht darum geht, auf eine Chance zu warten, sondern sich proaktiv als unverzichtbarer Lösungsarchitekt für die Kernprobleme der Geschäftsführung zu positionieren?

Dieser Artikel durchbricht den Mythos der reinen Leistungsgesellschaft im Mittelstand. Er bietet Ihnen eine realistische und strategische Perspektive, die auf der Orchestrierung von Sichtbarkeit und dem Aufbau von Vertrauenskapital basiert. Wir werden die strukturellen Hürden analysieren, Ihnen zeigen, wie Sie Ihre Erfolge ohne Arroganz präsentieren und die ungeschriebenen Gesetze des Aufstiegs entschlüsseln, damit Sie Ihre Karriere selbst in die Hand nehmen können – auch ohne formelles Förderprogramm.

Um Ihnen einen klaren Weg durch diese komplexen Dynamiken zu weisen, ist dieser Leitfaden strukturiert aufgebaut. Er führt Sie von der Analyse des Problems bis hin zur Anwendung konkreter strategischer Hebel für Ihren Erfolg.

Inhaltsverzeichnis: Der strategische Leitfaden für Ihren Aufstieg im KMU

Warum warten 70 % der Angestellten vergeblich auf eine Beförderung?

Das Gefühl, trotz guter Arbeit auf der Karriereleiter festzustecken, ist im deutschen Mittelstand weit verbreitet. Das liegt nicht an mangelnder Wertschätzung, sondern an den spezifischen Strukturen dieser Unternehmen, in denen laut dem KfW-Mittelstandsatlas 2024 immerhin 71,9 % aller Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten. Anders als in Konzernen gibt es oft keine standardisierten Karrierepfade. Der Aufstieg ist seltener ein geplanter Prozess und häufiger das Ergebnis einer Kombination aus Gelegenheit, Vertrauen und strategischer Positionierung. Viele ambitionierte Fachkräfte scheitern, weil sie die unsichtbaren Barrieren nicht erkennen.

Die vier zentralen strukturellen Hindernisse in vielen KMU sind:

  • Fehlende HR-Prozesse: Standardisierte Talent-Pools, Nachfolgeplanungen oder Beförderungsrunden existieren selten. Entscheidungen werden oft ad hoc und direkt von der Geschäftsführung getroffen.
  • Flache Hierarchien: Es gibt schlichtweg weniger Führungspositionen zu besetzen. Eine Beförderung bedeutet oft, dass erst eine Stelle frei werden muss, was Jahre dauern kann.
  • Inhaber- und Familienstrukturen: In vielen familiengeführten Betrieben sind Schlüsselpositionen für Familienmitglieder reserviert, unabhängig von der Qualifikation externer Kandidaten.
  • Passivität durch Betriebszugehörigkeit: Die traditionelle Wertschätzung langer Betriebszugehörigkeit erzeugt bei vielen eine passive Erwartungshaltung, dass die Beförderung „schon irgendwann kommen wird“.

Diese Faktoren schaffen eine Situation, in der bloße Leistung nicht ausreicht. Es entsteht eine enorme Chance für diejenigen, die proaktiv handeln. Gerade die demografisch bedingte Nachfolgeproblematik, bei der bis Ende 2024 rund 224.000 Inhaber ihren Rückzug planen, öffnet Türen für engagierte Mitarbeiter, die sich als fähige Nachfolger positionieren. Wer die strukturellen Hürden versteht, kann sie umgehen, anstatt vergeblich gegen sie anzukämpfen.

Wie präsentieren Sie Ihre Erfolge im Jahresgespräch ohne Arroganz?

Das Jahresgespräch ist im Mittelstand oft die einzige formelle Bühne, um die eigene Leistung und Ambition zu präsentieren. Doch die Gratwanderung ist schmal: Wer zu offensiv auftritt, gilt schnell als arrogant; wer zu bescheiden ist, dessen Erfolge werden übersehen. Der Schlüssel liegt in einer faktenbasierten, souveränen Darstellung, die den Nutzen für das Unternehmen in den Vordergrund stellt. Es geht nicht darum, sich selbst zu beweihräuchern, sondern objektive Wertbeiträge nachzuweisen. Dies gelingt am besten durch die Vorbereitung eines persönlichen „Erfolgs-Portfolios“.

Statt einer langen Liste von Aufgaben sollten Sie Ihre drei wichtigsten Erfolge des Jahres auswählen und diese nach der folgenden Methode aufbereiten:

Professionelle Präsentation von Projekterfolgen mit visuellen Daten im Mitarbeitergespräch

Jeder Erfolg sollte mit einer konkreten Kennzahl (KPI) untermauert werden. Sprechen Sie nicht von „Prozessverbesserung“, sondern von „Reduzierung der Durchlaufzeit in Prozess X um 15 %“. Diese Quantifizierung verlagert die Diskussion von der subjektiven Wahrnehmung auf eine objektive Geschäftsebene. Ein weiterer entscheidender Punkt, der in der mittelständischen Kultur hoch angesehen wird, ist das richtige Framing: Präsentieren Sie Erfolge als Teamleistung, bei der Sie jedoch einen entscheidenden Beitrag geleistet haben. Formulierungen wie „Gemeinsam im Team konnten wir XY erreichen; mein spezifischer Beitrag war die Analyse, die zu Z führte“ demonstrieren Teamgeist und Führungsanspruch zugleich.

Nutzen Sie auch externe Validierungen. Ein neu erworbenes Zertifikat (z. B. von der IHK) oder positives Kundenfeedback sind keine Prahlerei, sondern externe Beweise Ihrer Kompetenz. Eine visuelle, einseitige Übersicht Ihrer Top-Projekte kann zudem helfen, komplexe Sachverhalte schnell und eindrucksvoll zu vermitteln, ohne den Vorgesetzten mit Details zu überladen. Souveränität entsteht durch Vorbereitung, nicht durch Lautstärke.

Fachexperte oder Führungskraft: Welcher Weg zahlt sich in Ihrer Branche aus?

In der starren Vorstellung vieler ist Karriere gleichbedeutend mit dem Aufstieg zur Führungskraft. Doch gerade im technologie- und ingenieurgetriebenen deutschen Mittelstand ist dies ein gefährlicher Trugschluss. Viele KMU verdanken ihren Erfolg hochspezialisierten Fachexperten, die oft ein höheres Ansehen und mitunter sogar ein höheres Gehalt genießen als eine mittlere Führungskraft. Bevor Sie also Ihren Karriereweg planen, ist eine ehrliche Analyse unerlässlich: Welcher Pfad passt zu Ihren Stärken, Ihren Neigungen und vor allem zur Wertschöpfungslogik Ihres Unternehmens?

Die Führungskarriere ist der richtige Weg für Sie, wenn Sie Freude daran haben, Menschen zu entwickeln, Prozesse zu orchestrieren und strategische Entscheidungen zu treffen. Sie erfordert hohe soziale Kompetenz, Konfliktfähigkeit und die Bereitschaft, Verantwortung für die Ergebnisse anderer zu übernehmen. Der Reiz liegt im Gestaltungsspielraum und der direkten Einflussnahme auf die Unternehmensentwicklung. Der Nachteil: Sie entfernen sich zunehmend von der fachlichen Detailarbeit, die Ihnen vielleicht einmal am Herzen lag.

Die Fachkarriere (oder Expertenlaufbahn) ist ideal, wenn Ihre Leidenschaft in der tiefen Materie liegt. Als „Wissensträger“ für eine kritische Technologie oder einen komplexen Prozess werden Sie für das Unternehmen unverzichtbar. In Branchen wie dem Maschinenbau, der IT oder der Medizintechnik ist dieser Weg hoch angesehen und finanziell attraktiv. Der Vorteil liegt in der fachlichen Tiefe und Autonomie. Die Gefahr besteht darin, in einer Nische isoliert zu werden und den Anschluss an die strategische Unternehmensentwicklung zu verlieren. Die beste moderne Strategie ist oft eine Kombination: das Konzept des T-Shaped Professionals. Hierbei entwickeln Sie eine tiefe Expertise in einem Kernbereich (der vertikale Balken des „T“) und bauen gleichzeitig ein breites Verständnis für angrenzende Geschäftsfelder und grundlegende Management-Fähigkeiten auf (der horizontale Balken). So bleiben Sie Experte, werden aber gleichzeitig zu einem wertvollen strategischen Gesprächspartner für die Führung.

Der Bore-out-Effekt: Wenn Unterforderung Ihre Karriere schleichend ruiniert

Während Burn-out in aller Munde ist, bleibt das Gegenteil, der Bore-out, oft unerkannt. Er beschreibt einen Zustand chronischer Unterforderung, der zu Desinteresse, innerer Kündigung und einem schleichenden Verlust von Qualifikationen führt. Gerade für High-Potentials in KMU ist dies eine reale Gefahr. Wenn die Lernkurve abflacht, Projekte zur Routine werden und die eigenen Fähigkeiten nicht mehr gefordert sind, beginnt die Karriere zu stagnieren. Dies ist nicht nur persönlich demotivierend, sondern sendet auch ein fatales Signal an die Vorgesetzten: Wer nicht gefordert ist, scheint auch nicht für mehr bereit zu sein.

Paradoxerweise bietet gerade eine der größten Herausforderungen des deutschen Mittelstands hier eine riesige Chance: die Digitalisierung. Eine aktuelle Studie zeigt, dass 42 % der kleineren Unternehmen digitalen Nachholbedarf verspüren. Diese Lücke ist Ihre Chance, dem Bore-out zu entkommen und sich als Intrapreneur zu positionieren. Statt auf spannende Aufgaben zu warten, identifizieren Sie proaktiv einen Prozess in Ihrer Abteilung, der durch digitale Tools optimiert werden könnte. Erarbeiten Sie einen konkreten Vorschlag, wie beispielsweise die Einführung einer Kollaborationssoftware die Effizienz steigern oder ein kleines Automatisierungsprojekt die Fehlerquote senken kann.

Sie müssen dabei nicht alles allein stemmen. Netzwerke wie die bundesweiten Mittelstand-Digital Zentren bieten kostenlose Unterstützung und Praxisbeispiele, um KMU bei der Digitalisierung zu helfen. Indem Sie ein solches Projekt initiieren, beweisen Sie drei entscheidende Dinge: Sie denken unternehmerisch, Sie übernehmen Verantwortung über Ihren Aufgabenbereich hinaus (Problem-Inhaberschaft), und Sie entwickeln Lösungen für reale Geschäftsprobleme. Sie verwandeln Ihre Unterforderung in eine sichtbare Erfolgsgeschichte und machen sich für anspruchsvollere Aufgaben unentbehrlich. Der Bore-out ist somit kein Schicksal, sondern ein Symptom, das Sie aktiv in einen Karrieretreiber umwandeln können.

Wann Sie intern wechseln sollten: 3 Signale für den richtigen Zeitpunkt

Loyalität und Betriebszugehörigkeit sind im deutschen Mittelstand hohe Güter. Doch Loyalität darf nicht zur Einbahnstraße werden, auf der Ihre eigene Entwicklung auf der Strecke bleibt. Manchmal ist ein interner Wechsel – sei es in eine andere Abteilung oder eine neu geschaffene Rolle – die einzige Möglichkeit, der Stagnation zu entkommen. Oft ist es aber auch das Signal, dass Ihre Zukunft außerhalb des Unternehmens liegt. Es gibt drei untrügliche Warnsignale, die Ihnen zeigen, dass es Zeit ist, Ihre Optionen ernsthaft zu prüfen, anstatt weiter auf eine vage Zukunftshoffnung zu bauen.

Diese Signale sind keine flüchtigen Eindrücke, sondern handfeste Indizien dafür, dass der Weg nach oben für Sie blockiert ist, unabhängig von Ihrer Leistung. Erkennen Sie eines oder mehrere dieser Muster über einen längeren Zeitraum, ist proaktives Handeln gefragt.

Metaphorische Darstellung von Karrieresignalen durch verschiedene Wegweiser in einem Büroumfeld

Die kritischen Warnsignale sind:

  1. Reservierte Schlüsselpositionen: Inhaber oder Vorgesetzte sprechen zwar über Entwicklungsperspektiven, aber wenn eine attraktive Position frei wird, wird sie systematisch mit einem Familienmitglied oder einem engen Vertrauten von außerhalb besetzt. Dies ist das klarste Zeichen für eine gläserne Decke.
  2. Engagement externer Berater für Ihre Themen: Sie haben wiederholt auf ein Problem hingewiesen und sogar Lösungsvorschläge gemacht, werden aber ignoriert. Stattdessen wird ein teurer externer Berater engagiert, um genau dieses Problem zu lösen. Das zeigt, dass Ihr Urteilsvermögen und Ihre Expertise intern nicht das nötige Vertrauenskapital genießen.
  3. Systematische Ablehnung von Weiterbildung: Ihre Anträge auf relevante, karrierefördernde Weiterbildungen werden wiederholt ohne stichhaltige, nachvollziehbare Begründung abgelehnt. Dies signalisiert, dass das Unternehmen nicht bereit ist, in Ihre strategische Entwicklung zu investieren.

Wenn Sie diese Signale erkennen, ist es an der Zeit für ein offenes Gespräch oder die diskrete Suche nach neuen Ufern. Ignorieren Sie sie nicht, denn sie sind die zuverlässigsten Indikatoren für eine stagnierende Karriere.

Warum „Mädchen für alles“ keine Karriere macht

In der dynamischen, oft unterbesetzten Umgebung von KMU ist es verlockend, jede anfallende Aufgabe zu übernehmen, um Engagement und Flexibilität zu beweisen. Man wird zum verlässlichen Allrounder, zum „Mädchen für alles“ – und gräbt sich damit unbewusst das eigene Karrieregrab. Denn wer alles kann, steht am Ende für nichts Bestimmtes. Sie werden als exzellenter Zuarbeiter wahrgenommen, aber nicht als strategischer Kopf oder unverzichtbarer Experte für eine zukünftige Schlüsselrolle. Für eine Beförderung sucht die Geschäftsführung keine Generalisten, sondern Spezialisten mit Führungspotenzial.

In KMUs gibt es oft keine festgelegten Beförderungsprozesse. Wer nicht aktiv zeigt, dass er führen will, wird übersehen.

– Aaron Brück, Karriere als Führungskraft in KMU

Diese Beobachtung von Karriere-Experte Aaron Brück trifft den Kern des Problems. Ihre Bereitschaft, überall einzuspringen, führt zu einer Diffusion Ihrer Wahrnehmung. Um aufzusteigen, müssen Sie diesen Kreislauf durchbrechen und sich gezielt als T-Shaped Professional positionieren: ein Experte mit einer tiefen Kernkompetenz, der gleichzeitig ein breites Verständnis für das Gesamtgeschäft hat. Der Weg dorthin erfordert eine bewusste strategische Neuausrichtung Ihrer täglichen Arbeit und Kommunikation.

Ihr Aktionsplan: Vom Generalisten zum Spezialisten

  1. Aufgaben auditieren: Dokumentieren Sie vier Wochen lang konsequent alle Ad-hoc-Aufgaben, die außerhalb Ihrer Kernrolle liegen, und schätzen Sie deren Zeitaufwand. Dies schafft eine datenbasierte Grundlage für Gespräche.
  2. Kernkompetenz definieren: Analysieren Sie Ihre Fähigkeiten und bisherigen Erfolge. Identifizieren Sie die eine Kompetenz, mit der Sie den größten und sichtbarsten Wert für das Unternehmen schaffen.
  3. Nischen-Expertise aufbauen: Konzentrieren Sie Ihre Weiterbildungs- und Projektarbeit gezielt auf diesen Bereich, um darin zur unangefochtenen Autorität im Unternehmen zu werden.
  4. Spezialisierung kommunizieren: Sprechen Sie aktiv über Ihre neue Fokussierung. Positionieren Sie sich in Meetings und Gesprächen als der Go-to-Ansprechpartner für dieses spezifische Thema.
  5. Nein sagen lernen: Lehnen Sie fachfremde Anfragen höflich, aber bestimmt ab. Bieten Sie konstruktive Alternativen an, indem Sie auf den zuständigen Kollegen verweisen oder erklären, dass Sie Ihre Zeit auf das strategisch wichtigere Projekt X konzentrieren.

Dieser Prozess ist keine Arbeitsverweigerung, sondern eine strategische Bündelung Ihrer Kräfte. Sie signalisieren damit, dass Sie bereit sind, nicht nur härter, sondern vor allem klüger zu arbeiten und echte Verantwortung für einen wertschöpfenden Bereich zu übernehmen.

Wie platzieren Sie Ihre Ideen so, dass der Vorstand sie als seine eigenen kauft?

Eine brillante Idee zu haben ist eine Sache. Sie im oft patriarchalen und meinungsstarken Umfeld eines inhabergeführten Mittelständlers durchzusetzen, eine völlig andere. Viele gute Vorschläge von Mitarbeitern scheitern nicht am Inhalt, sondern an einer falschen Präsentation. Der Versuch, eine perfekt ausgearbeitete Lösung zu präsentieren, kann vom Chef als Bevormundung oder als Angriff auf seine eigene Kompetenz empfunden werden. Ein weitaus erfolgreicherer Ansatz ist die subtile Kunst der „gesteuerten Entdeckung“, die auf die „Macher-Mentalität“ vieler deutscher Unternehmer abzielt.

Anstatt eine fertige Lösung vorzulegen, präsentieren Sie Ihre Idee als einen gut durchdachten Entwurf mit einer bewusst offen gelassenen strategischen Lücke. Sie laden Ihren Vorgesetzten damit quasi ein, die Idee mit seiner Erfahrung und seiner Perspektive zu vollenden. Dieser psychologische Kniff verändert die Dynamik fundamental: Der Chef wird vom passiven Bewerter zum aktiven Mitgestalter. Die Idee wird zu „unserem Projekt“. Diese Technik, auch als „Werkbank-Methode“ bekannt, erhöht die Akzeptanz signifikant, da sie das Ego des Entscheiders nicht bedroht, sondern stärkt.

Fallbeispiel: Die Werkbank-Methode in der Praxis

Ein ambitionierter Produktionsleiter in einem Maschinenbau-KMU möchte einen neuen, effizienteren Qualitätssicherungsprozess einführen. Anstatt einen fertigen 50-Seiten-Report zu präsentieren, stellt er seinem Chef einen zweiseitigen Entwurf vor. Der Plan ist zu 80 % fertig, aber er lässt bewusst die Frage offen, wie der neue Prozess am besten in die bestehende IT-Infrastruktur integriert werden kann, und bittet den Inhaber um dessen Einschätzung. Der Chef, ein Ingenieur der alten Schule, fühlt sich in seiner Kernkompetenz angesprochen, ergänzt den Plan mit einer entscheidenden technischen Spezifikation und gibt ihn als „sein“ Projekt frei. Laut einer Analyse des Mittelstandsbundes kann dieser Ansatz die Akzeptanz von Mitarbeiterinitiativen um bis zu 60 % erhöhen, da er die Idee zu einem gemeinsamen Werkstück macht.

Dieser Ansatz erfordert strategisches Denken und die Fähigkeit, die Perspektive des Entscheiders einzunehmen. Sie beweisen nicht nur fachliche Kompetenz, sondern auch soziale Intelligenz und ein tiefes Verständnis für die Kultur des Unternehmens. Sie liefern nicht nur eine Lösung, Sie schaffen einen Verbündeten.

Das Wichtigste in Kürze

  • Im deutschen Mittelstand ist Vertrauen die härteste Währung. Bauen Sie es gezielt auf, denn es wiegt mehr als reine Leistung.
  • Verlassen Sie die Rolle des reinen Zuarbeiters. Werden Sie zum proaktiven Lösungsarchitekten für die strategischen Probleme des Unternehmens.
  • Vermeiden Sie die Generalisten-Falle. Entwickeln Sie eine tiefe Nischen-Expertise und machen Sie diese sichtbar, um als unverzichtbar wahrgenommen zu werden.

Warum gute Leistung allein nicht zum Chef-Sessel führt: Die ungeschriebenen Gesetze

Nachdem wir die einzelnen strategischen Hebel beleuchtet haben, fügt sich das Puzzle zu einem klaren Bild zusammen: Im deutschen Mittelstand ist der Karriereaufstieg kein linearer Sprint, sondern ein strategisches Langstreckenrennen. Die gute Nachricht ist, dass die Chancen für interne Kandidaten grundsätzlich gut stehen. Eine Erhebung zeigt, dass in KMU etwa 62 % der Management-Posten intern besetzt werden. Die schlechte Nachricht: Diese Positionen gehen nicht zwangsläufig an die fachlich besten Mitarbeiter, sondern an diejenigen, die die ungeschriebenen Gesetze des Aufstiegs gemeistert haben.

Exzellente Arbeit ist die Grundvoraussetzung, die Eintrittskarte. Sie ist jedoch nicht der entscheidende Faktor für die Beförderung. Der Aufstieg wird in den informellen Arenen entschieden – in Gesprächen auf dem Flur, beim gemeinsamen Mittagessen und durch über Jahre aufgebautes Vertrauenskapital. Wer diese Realität ignoriert und sich nur auf seine Aufgaben konzentriert, wird übersehen. Der Erfolg hängt davon ab, vier ungeschriebene Gesetze zu verstehen und anzuwenden:

  • Gesetz 1: Kartografieren Sie die informelle Hierarchie. In jedem KMU gibt es neben dem offiziellen Organigramm eine unsichtbare Machtstruktur. Identifizieren Sie, wer wirklich das Ohr des Chefs hat. Oft sind das nicht die Abteilungsleiter, sondern vielleicht die langjährige Chefsekretärin oder der erfahrene Meister aus der Produktion. Bei diesen Personen müssen Sie sichtbar sein.
  • Gesetz 2: Vertrauen schlägt Leistung. Der Inhaber eines Mittelständlers sucht für Schlüsselpositionen keine genialen Einzelgänger, sondern absolut loyale und vertrauenswürdige Mitstreiter. Beweisen Sie über Jahre hinweg absolute Zuverlässigkeit, Diskretion und unternehmerisches Denken.
  • Gesetz 3: Finden Sie einen Paten, nicht nur einen Mentor. Ein Mentor gibt Ratschläge. Ein Pate (oder Sponsor) ist eine einflussreiche Person, die aktiv und uneigennützig in Entscheidungsgremien für Sie spricht und ihren eigenen Ruf für Sie aufs Spiel setzt. Diesen Status müssen Sie sich durch exzellente Arbeit und Loyalität verdienen.
  • Gesetz 4: Fokussierte Sichtbarkeit schlägt breite Präsenz. Es ist irrelevant, wenn das ganze Unternehmen weiß, dass Sie gute Arbeit leisten. Entscheidend ist, dass die zwei bis drei Schlüsselentscheider Ihre Erfolge wahrnehmen und mit strategischen Unternehmenszielen verbinden.

Wer diese Gesetze beherrscht, spielt das Spiel nicht nur mit, sondern gestaltet es aktiv. Sie hören auf, auf eine Beförderung zu hoffen, und beginnen, sie strategisch zu planen und zu verdienen – indem Sie sich als logische und vertrauenswürdige Wahl für die nächste Stufe positionieren.

Beginnen Sie noch heute damit, Ihre Karriere nicht als Angestellter, sondern als strategischer Gestalter Ihres eigenen Aufstiegs zu sehen. Analysieren Sie Ihr Umfeld, definieren Sie Ihre Nische und bauen Sie gezielt das Vertrauenskapital auf, das Sie für den nächsten Schritt unverzichtbar macht.

Geschrieben von Thomas Richter, Systemischer Business-Coach und Strategieberater für Führungskräfte im deutschen Mittelstand. 20 Jahre Erfahrung in Gehaltsverhandlungen und Karriereentwicklung.